Rainer Maria Rilke – ein Name, der wie kaum ein anderer für tiefgründige und einfühlsame Lyrik steht. Seine Gedichte berühren die Seele und lassen uns die Welt mit anderen Augen sehen. Besonders seine Liebesgedichte haben eine besondere Magie, die Menschen seit Generationen fasziniert. In diesem Artikel möchten wir Ihnen einige seiner schönsten Liebesgedichte vorstellen und näherbringen, warum sie auch heute noch so kraftvoll und berührend sind.
Über Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke, vollständiger Name René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der literarischen Moderne. Geboren am 4. Dezember 1875 in Prag, verbrachte Rilke seine Kindheit und Jugend in verschiedenen Städten der damaligen Habsburgermonarchie.
Rilke wurde in einer Zeit des kulturellen Umbruchs und der künstlerischen Avantgarde erwachsen. Sein literarisches Werk umfasst eine beeindruckende Liste schöner Gedichte, die sich durch ihre tiefgründige Symbolik und emotionale Intensität auszeichnen. Besonders in Deutschland und darüber hinaus wird Rilke als einer der großen Dichter des 20. Jahrhunderts gefeiert.
1902 zog Rilke nach Paris, wo er als Sekretär für den Bildhauer Auguste Rodin arbeitete. Diese Zeit war prägend für seine künstlerische Entwicklung und inspirierte ihn zu zahlreichen Werken. In den folgenden Jahren unternahm Rilke viele Reisen, die ihn unter anderem nach Italien, Frankreich und Russland führten. Diese Reisen hatten einen erheblichen Einfluss auf seine Dichtung und seinen Blick auf die Welt.
Sein Leben war geprägt von intensiven, aber oft schwierigen Beziehungen, darunter die Ehe mit der Bildhauerin Clara Westhoff. Trotz ihrer Trennung blieben sie ein Leben lang in freundschaftlichem Kontakt. Rilke lebte und arbeitete häufig allein, was seiner introspektiven und meditativen Dichtung zugutekam.
Der Erste Weltkrieg bedeutete eine schwierige Zeit für Rilke. Obwohl er nicht aktiv am Krieg teilnahm, litt er unter den Auswirkungen und der allgemeinen Unsicherheit jener Jahre. Nach dem Krieg fand er Zuflucht in der Schweiz, wo er im Sanatorium Valmont bei Montreux eine Zeit lang lebte, um seine angeschlagene Gesundheit zu verbessern.
Rilkes Tod am 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont markierte das Ende eines Lebens, das der Poesie und der Suche nach dem Wesen der menschlichen Existenz gewidmet war. Seine Werke, die beim Insel Verlag veröffentlicht wurden, gehören zu den wichtigsten Beiträgen zur deutschen Literatur und haben auch international große Anerkennung gefunden.
Rilkes Gedichte und Prosawerke, wie die „Duineser Elegien“ und „Die Sonette an Orpheus“, werden weiterhin gelesen und geschätzt. Sie reflektieren die Themen der Vergänglichkeit, der Liebe, der Kunst und der Spiritualität. Seine meisterhaften Verse und die Tiefe seiner Gedanken machen Rilke zu einem unvergesslichen Dichter, dessen Werk auch nach seinem Tod im 21. Jahrhundert von großer Bedeutung bleibt.
Rilkes Verständnis von Liebe
Rainer Maria Rilke war ein Dichter, dessen Leben und Werk stark von seinen persönlichen Erfahrungen und tiefen Gefühlen geprägt war. Die Liebe spielte in seinem Leben eine zentrale Rolle und fand immer wieder Eingang in seine Poesie. Seine Liebesgedichte sind voller Sehnsucht, Tiefe und einer besonderen Zartheit, die sie einzigartig machen.
Die schönsten Liebesgedichte des österreichischen Lyrikers
„Liebes-Lied“
Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
„Wie soll ich meine Seele halten“
Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
„Mein Herz“
Ich weiß nicht, was ich habe,
mir ist ums Herz so schwer…..
Ums Herze? Ach was sag ich –
ich hab doch keines mehr.
Seit ich, mein Glück, dich kenne,
du süßes Liebchen mein,
vom ersten Augenblicke
an wars ja doch schon dein.
O mögst du es behalten,
damit es stets so blieb –
es soll ja dir gehören,
nur dir, mein süßes Lieb!
Giebs nie mehr mir zurücke –
es schlägt dir ja in Treu –
und willst du’s nicht mehr haben
mein Schatz, dann brichs entzwei.
„An der sonnengewohnten Straße“
An der sonnengewohnten Straße, in dem
hohlen halben Baumstamm, der seit lange
trog ward, eine Oberfläche Wasser
in sich leis erneuernd, still‘ ich meinen
Durst: des Wassers Heiterkeit und Herkunft
in mich nehmend durch die Handgelenke.
Trinken schiene mir zu viel, zu deutlich;
aber diese wartende Gebärde
holt mir helles Wasser ins Bewußtsein.
Also, kämst Du, braucht ich, mich zu stillen,
nur ein leichtes Anruhn meiner Hände,
sei’s an deiner Schulter junge Rundung,
sei es an den Andrang deiner Brüste.
„Gib mir Liebe“
Welche Wiesen duften deine Hände?
Fühlst du, wie auf deine Widerstände
stärker sich der Duft von draußen stützt.
Drüber stehn die Sterne schon in Bildern.
Gib mir, Liebe, deinen Mund zu mildern;
Ach, dein ganzes Haar ist unbenützt.
Sieh, ich will dich mit dir selbst umgeben
Und die welkende Erwartung heben
von dem Rande deiner Augenbraun;
wie mit lauter Liderinnenseiten
will ich dir mit meinen Zärtlichkeiten
alle Stellen schließen, welche schaun.
„Weisst du, ich will mich schleichen“
Weißt du, ich will mich schleichen
Leise aus lautem Kreis,
Wenn ich erst die bleichen
Sterne über den Eichen
Blühen weiß.
Wege will ich erkiesen,
Die selten wer betritt
In blassen Abendwiesen –
Und keinen Traum, als diesen:
Du gehst mit.
„Zum Einschlafen zu sagen“
Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der Einzige sein im Haus,
der wüßte: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in dich, in die Welt, in den Wald.
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe groß
die Augen auf dich gelegt;
und sie halten dich sanft und lassen dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.
„Lied (Du nur, Du)“
Du, der ich’s nicht sage, daß ich bei Nacht
weinend liege,
deren Wesen mich müde macht
wie eine Wiege.
Du, die mir nicht sagt, wenn sie wacht
meinetwillen:
wie, wenn wir diese Pracht
ohne zu stillen
in uns ertrügen?
„Wenn es nur einmal so ganz stille wäre“
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:
Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.
„Die Liebenden“
Sieh, wie sie zu einander erwachsen:
In ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist. Liebenden
Sieh, wie sie zu einander erwachsen:
In ihren Adern wird alles Geist.
Ihre Gestalten beben wie Achsen,
um die es heiß und hinreißend kreist.
Dürstende, und sie bekommen zu trinken,
Wache und sieh: sie bekommen zu sehn.
Laß sie ineinander sinken,
um einander zu überstehn.
Und sieh: ihr Leib ist wie ein Bräutigam
Und fließt im Liegen hin gleich einem Bache,
und lebt so schön wie eine schöne Sache,
so leidenschaftlich und so wundersam.
In seiner Schlankheit sammelt sich das Schwache,
das Bange, das aus vielen Frauen kam;
doch sein Geschlecht ist stark und wie ein Drache
und wartet schlafend in dem Tal der Scham.
„Die Liebende“
Ja ich sehne mich nach dir. Ich gleite
mich verlierend selbst mir aus der Hand,
ohne Hoffnung, daß ich das bestreite,
was zu mir kommt wie aus deiner Seite,
ernst und unbeirrt und unverwandt.
…jene Zeiten: O wie war ich Eines,
nichts was rief und nichts was mich verriet;
meine Stille war wie eines Steines,
über den der Bach sein Murmeln zieht.
Aber jetzt in diesen Frühlingswochen
hat mich etwas langsam abgebrochen
von dem unbewußten dunkeln Jahr.
Etwas hat mein armes warmes Leben
irgendeinem in die Hand gegeben,
der nicht weiß, was ich noch gestern war.
„Alldieweil Lieb“
Alldieweil Lieb bei Lieb ist,
weiß Lieb nicht wie lieb Lieb ist;
wenn aber Lieb von Lieb scheidet,
weiß lieb Lieb wohl,
was lieb Lieb war.
„Die Stille“
Hörst du Geliebte, ich hebe die Hände –
hörst du: es rauscht…
Welche Gebärde der Einsamen fände
sich nicht von vielen Dingen belauscht?
Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider
und auch das ist Geräusch bis zu dir.
Hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder……
… aber warum bist du nicht hier.
Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung
bleibt in der seidenen Stille sichtbar;
unvernichtbar drückt die geringste Erregung
in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.
Auf meinen Atemzügen heben und senken
die Sterne sich.
Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,
und ich erkenne die Handgelenke
entfernter Engel.
Nur die ich denke: Dich
seh ich nicht.
„Die Liebende“
Das ist mein Fenster. Eben
bin ich so sanft erwacht.
Ich dachte, ich würde schweben.
Bis wohin reicht mein Leben,
und wo beginnt die Nacht?
Ich könnte meinen, alles
wäre noch Ich ringsum;
durchsichtig wie eines Kristalles
Tiefe, verdunkelt, stumm.
Ich könnte auch noch die Sterne
fassen in mir, so groß
scheint mir mein Herz; so gerne
ließ es ihn wieder los
den ich vielleicht zu lieben,
vielleicht zu halten begann.
Fremd, wie niebeschrieben
sieht mich mein Schicksal an.
Was bin ich unter diese
Unendlichkeit gelegt,
duftend wie eine Wiese,
hin und her bewegt,
rufend zugleich und bange,
daß einer den Ruf vernimmt,
und zum Untergange
in einem Andern bestimmt.
„Eros“
Masken! Masken! Dass man Eros blende.
Wer erträgt sein strahlendes Gesicht,
wenn er wie die Sommersonnenwende
frühlingliches Vorspiel unterbricht.
Wie es unversehens im Geplauder
anders wird und ernsthaft…Etwas schrie…
Und er wirft den namenlosen Schauder
wie ein Tempelinnres über sie.
Oh verloren, plötzlich, oh verloren!
Göttliche umarmen schnell.
Leben wand sich, Schicksal ward geboren.
Und im Innern weint ein Quell
Rilkes Einfluss auf die Liebeslyrik
Rilkes Liebesgedichte haben viele andere Dichter inspiriert und beeinflusst. Seine Art, Liebe zu beschreiben – zart, tief und oft melancholisch – hat die Liebeslyrik nachhaltig geprägt. Auch heute noch finden viele Menschen Trost und Inspiration in seinen Gedichten.
Fazit
Rainer Maria Rilke hat uns mit seinen Liebesgedichten ein einzigartiges literarisches Erbe hinterlassen. Sie sind ein Ausdruck tiefster Gefühle und zeigen uns die vielfältigen Facetten der Liebe. Wir hoffen, dass dieser Artikel Ihnen Lust gemacht hat, mehr von Rilkes Werk zu entdecken und Sie sich von seiner Poesie verzaubern lassen.
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